12.08.2016 | Lübeck | Allgemein

Bürgschaft schränkt Spielraum ein

Wie Lübeck mit alten Erbpachtverträgen umgeht

Mit etwa 8700 Grundstücken ist Lübeck unter den Städten und den Gemeinden der größte Erbbau-rechtsausgeber in Deutschland. Vor allem nach den Weltkriegen hat die Hansestadt viele Erbbaurechtsverträge geschlossen, um vielen, auch finanziell schlechter gestellten Einwohnern die Möglichkeit zu geben, sich ein Haus zu bauen und dort zukünftig zu wohnen.

 

In den nächsten dreißig Jahren enden etwa 950 Erbbaurechtsverträge und die Erbbaurechte laufen aus. Soweit das Erbbaurecht ausläuft, stellt sich dem Erbbaurechtsberechtigten die Frage, was er tun kann, um in seinem Haus wohnenbleiben zu können. Denkbar sind zunächst der Kauf des Grundstückes oder die Verlängerung des Erbbaurechts. Für beide Wege sind Gespräche mit der Hansestadt Lübeck notwendig, da diese grundsätzlich sowohl dem Verkauf als auch der Verlängerung zustimmen muss. Mit Be­schluss vom 28. April 2016 hat die ­Bürgerschaft Vorgaben erlassen, unter welchen Bedingungen die Verwaltung Grundstücke verkaufen oder Vertragsverhältnisse verlängern darf. Die Vorgaben gelten für alle Erbbaurechtsverhältnisse, die spätestens im Jahr 2045 auslaufen.

 

Der Verkauf des Grundstückes erfolgt nach den Vorgaben der Bürgerschaft mindestens nach dem Bodenrichtwert des Grundstückes mit einem zehnprozentigen Aufschlag. Besonderheiten des Grundstückes, insbesondere etwa ein aufgrund eines Bebauungsplanes bestehendes zusätzliches Baurecht, sind beim Kaufpreis zu berücksichtigen. Ermäßigungen für die Erbbauberechtigten sind im Regelfall nicht vorgesehen.

 

Soweit das Erbbaurechtsverhältnis verlängert wird, soll dies für einen Zeitraum von 30 bis 99 Jahren erfolgen. Der Erbbauzins ist auf vier Prozent des Bodenrichtwertes zu erhöhen. In dem Vertrag ist eine Wertsicherungsklausel zu vereinbaren, die den Erbbauzins an den Verbraucherpreisindex bindet, d. h. wenn der Verbraucherpreisindex steigt, kann die Hansestadt Lübeck eine prozentual entsprechende Anpassung des Erbbauzinses verlangen.
Um Härtefälle, vor allem für Erbbauberechtige mit einem niedrigen Einkommen, zu vermeiden oder zu­mindest abzufedern, kann die Verwaltung hinsichtlich der Höhe des Erbbauzinses Ausnahmen zulassen.

 

Besteht das ­Erbbaurechtsverhältnis mindestens 20 Jahre, hat der Erbbauberechtigte für zehn Jahre lediglich einen Erbbauzins in Höhe von zwei Prozent des Bodenrichtwertes zu zahlen, vorausgesetzt, sein Einkommen liegt unter der im Wohnraumförderungsgesetz genannten Grenzen. Familien erhalten eine Ermäßigung von 20 Prozent für jedes im Haushalt lebende und kindergeldberechtigte Kind, soweit das Haus selbst bewohnt wird, kein Wohnraum im Haus vermietet wird und ihr kein weiteres Wohneigentum gehört. Die Ermäßigung ist auf vier Kinder be­grenzt. In besonderen Härtefällen kann die Verwaltung im Einzelfall für langjährige Erbbauberechtigte abweichende Regelungen treffen. Die bevorstehenden Ermäßigungen sind personenverbunden. Sie entfallen, wenn das Erbbaurecht verkauft, verschenkt oder vererbt wird. Ausgenommen ist hiervon die Vererbung an einen Ehegatten, der auf dem Grundstück wohnt.

 

Bei der Verlängerung der Erbbaurechtsverträge und dem Kauf des Grundstückes ist der Verwaltung danach durch die Bürgerschaft ein enger Verhandlungsrahmen gesetzt worden. Sieht man den Verhandlungsrahmen, wird der Erbbauberech­tigte entweder einen hohen Grundstückskaufpreis zahlen oder sich mit einem neuen Erbbaurechtsvertrag mit einem wesentlich höheren Erbbauzins ein­verstanden erklären müssen, wenn er in seinem Haus wohnen bleiben möchte.

 

Der Hansestadt Lübeck kommen die zurzeit in Lübeck bestehende große Nachfrage nach Wohngrundstücken und der damit verbundene spürbare An­stieg der Grundstückspreise zugute. Sowohl für den Grundstückskaufpreis als auch für den neuen Erbbauzins ist der Bodenrichtwert entscheidend. Der Bodenrichtwert kann auf der Internetseite des Gutachterausschusses Lübeck www.gutachterausschuesse-sh.de/hl/ eingesehen werden.

 

Neben der Verlängerung der Erbbaurechtsverträge oder dem Kauf der Grundstücke kann auch das Auslaufenlassen der Erbbaurechtsverträge eine Alternative sein. Um die Alternative für sich zu prüfen, ist es empfehlenswert, den Gebäudewert ohne Grundstück schätzen zu lassen. Endet das Erbbaurechtsverhältnis, hat die Hansestadt Lübeck den Gebäudewert bei Vorliegen einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung entweder ganz oder größtenteils zu erstatten. Es kann wirtschaftlich attraktiv sein, dass Erbbaurecht noch vor Ablauf des Erbbaurechtsverhältnisses zu verkaufen. Wohngrundstücke sind heute stark nachgefragt. Trotz der kurzen Restlaufzeit kann daher der Kaufpreis höher als der von der Stadt zu zahlende Erstattungsbetrag sein. Es wäre dann am Erwerber, zu entscheiden, ob er den Erbbaurechtsvertrag verlängert oder das Grundstück kauft.

 

Im Einzelfall sind individuelle Lö­sungen denkbar. Erbbaurechtsgrundstücke könnten geteilt und hierdurch der Kaufpreis und Erbbauzins ermäßigt werden. Auch eine Umwandlung des Erbbaurechts in ein Mietverhältnis unter Anrechnung des Erstattungsbetrages kann in den Fällen eine sinnvolle Alternative darstellen, in denen der Erbbauberechtigte nur noch einen absehbaren Zeitraum in seinem Haus wohnen möchte. Die individuellen Lösungen sind mit der Hansestadt Lübeck zu besprechen.  

 

Mitglieder können sich durch die Rechtsberater des Lübecker Vereins umfassend beraten lassen. Die Rechtsberater prüfen auch den Erbbaurechtsvertrag, um zu sehen, ob sich aus diesem Besonderheiten ergeben. Die Hansestadt Lübeck wird voraussichtlich im August an die betroffenen Erbbauberechtigten herantreten.

 

 

Sascha Färber