17.08.2023 | Flensburg-Kiel-Lübeck | Aktuelles

Haus & Grund Kiel sieht Grün-Roten Kooperationsvertrag im Bereich „Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung“ gründlich misslungen

Der Entwurf für den Kooperationsvertrag des Kieler Rathaus-Bündnisses aus Grünen und SPD grenzt private Immobilieneigentümer, die über den größten Anteil an Wohnraum in den inneren Lagen der Landeshauptstadt Kiel verfügen, systematisch als zentrale Akteure des Stadtumbauprozesses aus. Institutionelle Anbieter, zu denen die städtische Wohnungsgesellschaft, Genossenschaften und private Wohnungsunternehmen gehören, sollen bevorzugt behandelt werden. Die in dem Papier diesbezüglich entwickelten politischen Ideen zielen unisono nicht darauf ab, einen Interessenausgleich zwischen allen Beteiligten herbeizuführen oder Bereiche zu identifizieren, die innerhalb eines Plans oder Programms „konsensfähig“ sind. Wenn an vielen Stellen der Vereinbarung nicht wesentlich nachgebessert wird, dürfte das schwerwiegende Folgen für die Siedlungs- und Quartiersentwicklung der Stadt insgesamt haben. Sönke Bergemann, Geschäftsführer des Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümerverein von Kiel und Umgegend e.V., führt hierzu einige Beispiele im Detail an:

 

„Unstrittig ist, dass vor allem eine Vielfalt an Akteuren am Markt einen Beitrag zu gutem und bezahlbarem Wohnen leisten kann. Deshalb erschließt es sich Haus & Grund auch nicht, warum die Kieler Wohnungsgesellschaft von der neuen Kooperation im Rathaus in der vorgestellten Weise protegiert wird. Mit der offiziell verlautbarten Zielsetzung, die ersten 1.000 Wohnungen nicht wie derzeit geplant 2030, sondern vorher in den Bestand der KiWoG holen zu wollen, öffnet Grün-Rot der hemmungslosen Ausübung des städtischen Vorkaufsrechtes Tür und Tor. Das Ganze mit öffentlichen Mitteln, wie recht unverblümt eingeräumt wird. Abgesehen von einer solchen „Steuerverschwendung mit Ansage“ und der daraus resultierenden weiteren Verschuldung der Stadt ist das ganz klar eine Wettbewerbsverzerrung, die die Investitionsbereitschaft aller privaten Grundeigentümer nicht gerade fördert. Immer wieder wird außer Acht gelassen, dass sie es sind, die über den größten Wohnungsbestand verfügen. Der Wohnungsmarkt in Kiel besteht aus 146.995 Wohnungen. Die über 11.000 Mitglieder von Haus & Grund Kiel sind Eigentümer von rund 45.200 dieser Wohnungen. Anstatt diese entwicklungsfähige und in großen Teilen willige Gruppe mit wirkungsvollen Anreizen zu aktivieren, wird lieber einer Strategie der Bevorzugung ausgewählter Baugemeinschaften Vorschub geleistet.

 

Die Möglichkeiten des neuen Wohnraumschutzgesetzes offensiv nutzen zu wollen, ist auch nicht gerade als vertrauensbildende Maßnahme zu bezeichnen. Ein weiterer ressourcenintensiver und hohe Verwaltungskosten verursachender Papiertiger, der das bereits vorhandene Ordnungsrecht unnötig verkompliziert und bürokratisch aufbläht. Keinesfalls dürfen alle Vermieter unter einen Generalverdacht gestellt werden und unter dem Deckmantel des Wohnraumschutzes ein Instrument der Zwangsvermietung geschaffen werden. Mieter wohnen überdurchschnittlich gerne bei privaten Vermietern und diese kümmern sich im besten Sinne um ihre Immobilien.

 

Um die Probleme im Wohnungsmarkt zu lösen, bedarf es – so denken wir – besserer Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau. Hierzu gehört neben der Baulandausweisung vor allem eine Überprüfung des Baurechts und der Auflagen, die die Baukosten immer weiter in die Höhe treiben. Diese Themen sollten in der Politik prioritär behandelt werden. Ein besonderes Augenmerk muss hierbei der sozialen Treffsicherheit der Wohnraumförderung gelten. Sich bei dem in Kiel benötigten Wohnraum für Studierende am bundesdeutschen Durchschnitt zu orientieren, ähnelt einem gewagten Schuss ins Blaue. Ohne eine umfassende Prüfung der studentischen Wohnwünsche und -bedürfnisse sowie der Möglichkeiten ihrer Realisierung kann dies schnell zu einer Fehlbelegung im Bestand führen. Gleiches gilt für das Erproben innovativer Möglichkeiten wie der des Wohnungstauschs. Was im Ansatz richtig erscheint, dass Senioren ihr Eigenheim zu einem fairen Mietzins an eine Familie vermieten und ihre Miete von der Steuer absetzen, sollte auch zu Ende gedacht werden. Dabei gibt es unter anderem zu bedenken, dass es einfacher wäre, wenn die Einnahmen aus der Vermietung des Einfamilienhauses steuerfrei blieben. Denn die meisten Rentner haben ja kein steuerpflichtiges Einkommen, von dem sie die Ausgaben für eine Wohnung absetzen könnten.

 

Ein großes Ärgernis im Kooperationsvertrag stellen die Pläne für das Neubaugebiet Holtenau Ost dar. Auch bei diesem Projekt werden die Interessen der privaten Eigentümer der Wohnungsgemeinnützigkeit bedingungslos untergeordnet. Warum sollen neben der KiWoG, Genossenschaften und privaten Wohnungsunternehmen nicht auch private Eigentümer als größte Vermietergruppe eine Chance als Bauherr für Projekte wie das „Sanierungsgebiet Holtenau Ost“ bekommen? Moderne Stadtentwicklung, die eine lebendige Stadtkultur mit hohen baukulturellen Qualitäten zu schaffen beabsichtigt, lebt auch in diesem konkreten Fall von Vielfalt. Soziale und architektonische Vielfalt braucht Bauherren mit Erfahrung und Mut, damit formale und städtebauliche Monotonie vermieden wird. Um ein offenes Viertel mit urbanem Leben zu schaffen, muss der Nutzer miteinbezogen werden. Wer ein attraktives Stadtbild will, sollte auch ganzheitlich denken und planen!

 

Beim Stichwort Sanierung schrillen bei uns auch im weiteren Verlauf des Papiers die Alarmglocken. Dort ist die Rede davon, dass es sozial gerecht und klimapolitisch sinnvoll sei, prioritär an Orten, an denen kein Wärmenetz bestehe und kein entsprechender Wärmenetzausbau von den Stadtwerken geplant sei, die energetische Sanierung voranzutreiben, und gegebenenfalls ein Sanierungsgebiet auszuweisen. Hier wird das Pferd nun gänzlich von hinten aufgezäumt. Zunächst ist aus Sicht von Haus & Grund eine flächendeckende kommunale Wärmeplanung anzustreben. Bis 2025 brauchen die Kieler Eigentümer einen verbindlichen Versorgungsatlas ihrer Kommune. Der Versorgungsatlas muss für jedes Wohngebäude Zeitpunkt und Art der klimaneutralen Wärme- und Energieversorgung verbindlich ausweisen. Der Klimaschutz im Gebäudebestand ist das größte Investitionsvorhaben im Wohnungswesen seit dem Zweiten Weltkrieg. Hauseigentümer werden diese Last nur stemmen können, wenn sie ihre Maßnahmen am Gebäude mit der entsprechenden Wärme- und Energieversorgung der Zukunft abstimmen können. Im zweiten Schritt braucht es eine breite, systematische Nutzung von Sanierungsfahrplänen. Besser wäre, allen Eigentümern bis 2025 einen kostenlosen individuellen Sanierungsfahrplan für ihr Gebäude zur Verfügung zu stellen. Nur wenn Eigentümer wissen, wann sie welche Klimaschutzmaßnahmen durchführen sollten, damit ihr Gebäude klimaneutral wird, sind Klimaschutz und bezahlbares Wohnen in Einklang zu bringen. Schließlich und endlich muss dann eine darauf abgestellte Förderung von Klimaschutzmaßnahmen im Gebäudebestand ins Spiel kommen.

Also bitte immer „langsam mit den jungen Pferden“, wenn es gleich um die förmliche Festlegung von Sanierungsgebieten geht. Haus- und Grundeigentümer werden durch die Sanierung in ihrer Eigentumsposition erheblich betroffen. Mit der Sanierung sind Eingriffe in die Bausubstanz (zum Beispiel Freimachung der Hinterhöfe, denkmalpflegerische Maßnahmen) und finanzielle Verluste (Mietausfall) verbunden. Wirtschaftlich schwache Grundstückseigentümer werden durch die Sanierung vor fast unlösbare Probleme gestellt. Sie sind in vielen Fällen nicht in der Lage, sich an der Sanierung finanziell zu beteiligen. Sofern sie ihre Einkünfte bisher aus der Vermietung bezogen haben, können sie in ihrer Existenz bedroht werden; denn mit dem oft niedrigen Kaufpreis können sie keine entsprechende Rendite mehr erzielen. Dies gilt insbesondere für ältere Grundstückseigentümer, denen auf diese Weise der notwendige Zuschuss zur Rente fehlt.

 

Alles in allem ist der Grün-Rote Kooperationsvertrag im Bereich „Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung“ nicht ausreichend ausgearbeitet worden und muss daher als gründlich misslungen betrachtet werden. Die Steuerungsfunktion des Marktes durch immer neue Vorgaben und Kontrollen substituieren zu wollen, wird die Landeshauptstadt in ihren Bemühungen, ausreichend bezahlbaren Wohnraum bereitzustellen, weit zurückwerfen. Der Ansatz, alles dem Diktat der Wohnungsgemeinnützigkeit unterwerfen zu wollen, greift zu kurz, leistet keinen Beitrag zur Entspannung des Wohnungsmarktes, sondern schafft nur neue Probleme.“